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Kunsttherapie – wenn Worte fehlen

Hand voll mit Fingermalfarben in der Kunsttherapie
07.02.2022

An welche Therapie denken Sie, wenn Sie Krisensituationen bewältigen, grundlegende Veränderungen im Leben begleiten oder innere Ressourcen fördern möchten? Die meisten denken wohl an einen Lebens-Coach, an eine Psycho- oder psychiatrische Therapie. Aber haben Sie auch schon von der Kunsttherapie gehört?

Kunsttherapie ist eine junge therapeutische Disziplin, die um die Mitte des 20. Jahrhunderts im europäischen Raum entstand. Drei Psychiater, Paul Meunier, Hans Prinzhorn und der Schweizer Walter Morgenthaler gehören zu den Pionieren der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Bildern von psychisch Kranken.

Manchmal fehlen uns die Worte und der Bezug zu uns selbst. Sich wieder spüren zu können und mit Formen und Farben etwas darzustellen, das schwer zu beschreiben ist – das ist Kunsttherapie. Die Umsetzung ist vielseitig, sei es mit dem Pinsel, mit Ton, Papier, Holz oder sogar mit Musik, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Durch die manuelle Tätigkeit wird der Körper wieder spürbar. Der Fokus wird auf das «Hier und Jetzt» gesetzt, und die Sinneswahrnehmung wird gefördert. Durch den kreativen Umgang mit Problemen erhält man neue Perspektiven und neue Lösungsansätze. Das wiederum stärkt das Selbstbewusstsein und die eigene Kreativität. Die Kunsttherapie eignet sich für alle: alt, jung, Frau, Mann. Sie kann präventiv oder in Akut-Situationen eingesetzt werden. Die Kunsttherapie kann mit Einzelpersonen oder in Gruppen durchgeführt werden, es braucht keine künstlerischen Vorkenntnisse oder Erfahrungen. So die Theorie.

Doch genau hier wird oft der erste Widerstand sichtbar. «Ich bin nicht kreativ», «Ich habe keine Idee» oder «Ist das schön?», «Das macht doch keinen Sinn», sind Sätze, die ich im Praktikum im Bereich der Kunsttherapie häufig gehört habe. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, die fast alles bewertet und Kunst oft als «zweckfrei» und somit als «wertlos» betitelt. Das Überwinden dieser Hemmschwelle oder gar inneren Mauer braucht Zeit und Geduld. Ist dieser Widerstand aber erst einmal besiegt, setzt die kreative Tätigkeit eine selbstheilende Ressource frei, die der Verstand oft nicht einordnen kann.

Es war für mich faszinierend zu beobachten, wie Erwachsene ihre kindlichen und spielerischen Fähigkeiten wiederentdeckten. Diese Fähigkeit regt die Offenheit an, Neues zu lernen. Der Verstand beurteilt nicht mehr, sondern fängt an zu verstehen. Das alles hört sich sehr philosophisch an, ich weiss… Und vielleicht fällt es Ihnen nicht leicht, sich mit dieser Therapie-Methode anzufreunden. Deshalb frage ich Sie: Gibt es Lieder oder Gemälde, die Sie besonders berührt haben? Theaterstücke und Tänze, die das ausdrücken konnten, was sie schon immer sagen wollten, aber nicht konnten? Diese Erinnerungen helfen, um sich in etwa vorstellen zu können, wie heilsam Kunst und Kreativität sein können.

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